Erziehung ist nicht immer eine Erziehung.
Ein Erzieher im Interview.
Philipp Speer ist Erzieher. 24 Jahre jung und nebenberuflich betreibt er die Fotografie. Eins steht fest. Erziehung macht ihm Spaß.
22.01.2019
1. Erziehung (Arbeit) bedeutet in der Gesellschaft, sowas wie Stress, Arbeitsmangel, zu lange Arbeitszeiten und weniger Bezahlung. Was hat dich trotzdem gereizt eine schulische Ausbildung als Erzieher anzustreben? Und wie gehts du mit diesem Thema um, obwohl er dir Spaß macht, um?
Soziale Berufe sind schlecht bezahlt. Da muss ich dir recht geben. Bei der Verantwortung müsste eigentlich deutlich mehr gezahlt werden. Es hängt aber auch immer vom Träger/ der Einrichtung ab. Man kann also auch besser bezahlt werden. Man sollte also genau schauen, wo man sich bewirbt. Prinzipiell würde ich mir aber wünschen, dass dieser Beruf vom Staat mehr Würdigung und Anerkennung bekommt. Schließlich legen Kita-Erzieher die Basis für die Schulen. Erzieher der Kinder- und Jugendhilfe (ich zum Beispiel) arbeiten dafür oftmals mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendenlicheb, das braucht viel Einfühlungsveemögen und pädsgogische Kompetenz. Ich bin trotzdem zu diesem Beruf mit schulischer Ausbildung gekommen, weil es mir einfach Spaß macht, draußen in der Praxis zu sein und jungen Leuten dabei zu helfen, etwas zu lernen oder ihre Fähigkeiten im sozialen Bereich zu verbessern.
2. In was für einer Organisation arbeitest du gerade? Ich habe gehört du arbeitest momentan in einer Einrichtungen die Jugendlichen mit Problemen hilft. Wie gehts du mit solchen Fällen um? Bist du für diese Kinder bzw. jungen Menschen eine Vertraungsperson geworden?
Ich arbeite in einer Tagesgruppe. Die Kinder besuchen diese Art der Hilfen zur Erziehung nach der Schule. Sie bekommen ein Hausaufgabentraining, gemeinsame Mahlzeiten und Hilfe Beinfreiheit individuellen Freizeitgestaltung. Am Abend geht es dann zurück in die Familien. Eine Vertrauensperson wird man nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern. Oft suchen diese Rat bei den Erziehern und möchten natürlich auch ernst genommen werden. Bei den Kindern kommt zusätzlich hinzu, dass sie mich als Erzieher irgendwo schon fast als Vorbild betrachten. Vor allem ist aber wichtig, dass man sich selbst diszipliniert und eventuelle Vorkommnisse mit den jungen Heranwachsenden nicht an sich heranlässt. Man darf bestimmte Verhaltensweisen nicht persönlich nehmen und sollte klar differenzieren.
3. Was ist das schönste was du, jemals in der schulischen Ausbildung, aber auch danach erlebt hast?
Ein Junge hatte einen sehr schlechten Tag und hat unter anderem mich und auch andere Kinder massiv beschimpft. Nachdem ich am Abend in Ruhe mit ihm reden konnte, zeigte er Reue und es kullerten Tränen. Er war dann selbst zutiefst verletzt. Für mich war es deshalb so schön, weil ich erreicht hatte, dass das Kind nachdenkt und sein Verhalten reflektiert.
4. Wie beschreibst du ein typischen Erziehungsalltag beschreiben? Denkst du es ist ein Mix aus „Stress“ und „Freiheit“?
Es ist ein Mix aus stressig und Freiheit. Es gibt viele sehr entspannte und schöne Tage. Die Gruppe harmoniert ganz gut, geplante Dinge können umgesetzt werden und die jungen Heranwachsenden haben gute Laune. Es gibt aber auch die Tage, an denen man einfach nur nach Hause will und keine Lust mehr hat. Das kann durch die verschiedensten Faktoren bedingt werden (komplizierte Probleme mit den Kindern, Ärger mit den Kindern usw.). Ein/e Erzieher/in, der/die immer perfekte Tage hat, scheint meiner Meinung nach nicht richtig zu arbeiten. Denn irgendwann kommt immer mal ein Punkt, an dem man denkt: „Lass den Tag jetzt zu Ende gehen. Morgen wird’s wieder ruhiger!“ Man arbeitet nun mal mit Menschen und das sind keine Roboter, die immer gleich sind.
5. Findest du es einfach mit Kindern umzugehen oder sagst du der Beruf ist nicht für jedermann?
Nein, das ist nicht einfach. Man braucht eine Menge Geduld und Durchhaltevermögen. Gerade in meinem Arbeitsfeld muss man immer Konsequent sein und richtig handeln. Aber auch in ernsteren Situationen ist die richtige Reaktion gefragt. Ich denke, dass es nicht jedermanns Sache ist, Erzieher zu sein. Man muss eine harte Schale haben und darf sich durch nichts an die Decke bringen lassen. Sonst rastet man einfach nur aus und handelt nicht pädsgogisch wertvoll. Also nein. Nicht jeder Mensch, der vielleicht mal mit einem Kind gut umgegangen ist, kann automatisch auch Erzieher sein.
6. Könntest du uns ein Einblick in deine Erzieherausbildung geben?
Ein kurzen Einblick.
Man muss sich vor allem bewusst sein, dass diese Ausbildung zum Großteil privat läuft. Nur wenige Schulen sind staatlich. Das heißt, es fallen Gebühren für die Ausbildung an. Lohnt/Gehalt bekommt man nicht. Manche haben Glück und erhalten bei manchen Kindertagesstätten eine kleine Vergütung für Ihr Anerkennungspraktikum. Ich persönlich empfand die Ausbildung als leicht. Sie ist inzwischen stark an ein Studium angelegt. Die meisten Schulen unterrichten nach meinem Kenntnisstand in Modulen, die mit einer Prüfung beendet werden (ähnlich einem Studium). Mit etwas Disziplin und Ehrgeiz kann man diese Ausbildung mit guten Ergebnissen abschließen.
Auch muss man sich natürlich bewusst sein, dass man zum Großteil nur in der Schule sitzt und theoretisch ausgebildet wird. Es gibt zwar immer wieder Praktika, diese warne bei mir aber immer nur sechs Wochen lang.
7. „Das Lächeln von einem Kind ist ehrlicher als von einem Erwachsenen“ - was ist deine Meinung?
Das ist schwierig. Ich bin der Meinung, dass das Erwachsene auch können. Sie lachen nur nicht so oft, um eventuell nicht verletzt zu werden. Zum einen lachen Kinder, wenn sie glücklich sind. Das ist ein guter Indikator. Man sollte sie jedoch nicht unterschätzen. Auch Kinder können schon etwas vorgeben, was nicht der Wahrheit entspricht. Und das machen sie eventuell sogar nicht immer nur, weil sie lügen möchten. Oftmals möchten sie vielleicht etwas verbergen oder einen Menschen nicht kränken.
8. Wenn du irgendwas ändern könntest, sagen wir mal du hast mit einem Kind gesprochen das ein Problem hat, was würdest du diesem Kind geben? Was du machen willst, aber nicht darfst?
Sehr schwer. Ich glaube, dann würde ich zurück ins erste Ausbildungsjahr gehen und mir selbst sagen, dass ich die Welt nicht komplett ändern kann. Damals war ich noch sehr naiv und habe geglaubt, dass ich mit ein paar Worten alles regeln kann. Ich glaube, ich war in dieser Zeit auch sehr emotional und wollte, dass das Kind mir zuhört und sich ändert und das eben alles auf einer sehr emotionalen Ebene. Jetzt weiß ich, dass das die falsche Herangehensweise war.